Radioaktive Abfälle in Bure: Die Untersuchungskomission winkt das Projekt durch

Gelesen auf Reporterre (21.12.2021)

Eine positive Stellungnahme zur Gemeinnützigkeitserklärung für die Einlagerung radioaktiver Abfälle wurde von den Untersuchungsbeauftragten abgegeben. Die Anmerkungen der Öffentlichkeit über die „einseitige“ und „für unsere Demokratie besorgniserregende“ Stellungnahme, wischten sie beiseite.

Es ist ein schwerer Schlag für die Cigéo-Gegner. Ihre Mobilisierung konnte die Untersuchungsbeauftragte nicht davon abhalten, eine positive Stellungnahme zur Gemeinnützigkeitserklärung (DUP – déclaration d‘utilité publique) des Projekts zur Endlagerung radioaktiver Abfälle abzugeben. Diese wurde lediglich mit fünf Empfehlungen versehen. Die 43 Seiten lange positive Stellungnahme mit 10.336 Seiten Anhängen, die am Montag, dem 20. Dezember von der Präfektur (juristische Verwaltungsgewalt) des Departements Meuse im Internet veröffentlicht wurde, folgt auf die öffentliche Anhörung, die vom 15. September bis zum 23. Oktober in den elf von Cigéo betroffenen Gemeinden [1] stattgefunden hatt e. Ziel dieser Befragung war nichts Geringeres als das Projekt „abzusegnen, oder eben nicht“, so Claude Bastien, Vorsitzende der Untersuchungskommission am 14. September.

Schlussfolgerungen und Stellungnahme der Untersuchungskommission

Zur Erinnerung: Das Cigéo-Projekt plant etwa 83.000 Kubikmeter der gefährlichsten nuklearen Abfälle, die die Atomindustrie je produziert hat, 500 Meter unter der Erde zu vergraben. Einige dieser Abfälle werden Hunderttausende von Jahren radioaktiv bleiben. Die Inbetriebnahme der Anlage, deren Kosten 2016 per Erlass auf 25 Milliarden Euro festgelegt worden waren, von der Nationalen Agentur für die Entsorgung radioaktiver Abfälle (Andra) jedoch auf 34,5 Milliarden Euro geschätzt wurden, ist bis 2040 vorgesehen. Seine Betriebsphase soll zwischen 100 und 150 Jahren dauern.

„Weder DUP noch DAC“, der Aufruf der Bure à cuire, der Vereinigung Bure Stop und des Collectif contre l’enfouissement des déchets radioactifs (Cedra) gegen die öffentliche Untersuchung (DUP: déclaration d’utilité publique, Gemeinnützigkeitserklär ung und DAC: demande d’autorisation de création, Antrag auf Genehmigung). Mandres-en-Barrois, 17. September. Cedra, auf Twitter (@cedra_collectif).

Die Gemeinnützigkeitserklärung ist ein Schritt von entscheidender Bedeutung für die Andra, die seit Anfang der 1990er Jahre an dem Projekt arbeitet: Sie soll dem Staat ermöglichen, die letzten privaten Grundstücke zu erwerben, die für den Bau der Anlage benötigt werden, notfalls durch Enteignung der Eigentümer*innen. Der Stellungnahme zufolge muss die Agentur von den 665 Hektar, die für das Projekt benötigt werden, noch „etwa 100 Hektar“ (S. 31) erwerben: 20 Hektar für den Abstiegsbereich der Anlage, der der Annahme radioaktiver Pakete gewidmet ist, 20 Hektar für die Verbindung zwischen dem Abstiegsbereich und dem Schachtbereich für die Lagerung der Abfälle und 60 Hektar für die 14 Kilometer lange private Eisenbahnstrecke, die den Abstiegsbereich mit der nationalen Eisenbahnstrecke und der privaten Logistikplattform in Gondrecourt-le-Château verbinden soll.

Mit dieser positiven Stellungnahme rollt die Untersuchungskommission den roten Teppich für das Projekt und die Enteignungsabsichten der Andra aus. Die Ermittler zählten ihre Gründe für ihre Stellungnahme auf: „Nach Prüfung aller Kriterien für die Gemeinnützigkeit ist die Untersuchungskommission der Ansicht, dass dieses Projekt: angemessene Kosten berücksichtigt […]; eine zuverlässigere Lösung als die bisweilen vorgenommene Einlagerung ermöglicht, die zudem nicht gesetzeskonform ist; zur langfristigen Sicherung der bereits eingelagerten radioaktiven Abfälle beiträgt; ausreichend ausgereift ist, um angesichts der fast gesättigten Lagerkapazitäten der Abfälle in Angriff genommen zu werden; unterbrochen werden kann, wenn nicht alle Sicherheitsgarantien im Laufe der zahlreichen noch zu durchlaufenden Etappen gegeben sind […] kann dank der Umkehrbarkeit entsprechend den wissenschaftlichen Fortschritten überprüft werden; und hat akzeptable Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit“.

Im Jahr 2016 unternommen die Aktivisten eine 200.000 Schritte Demo in Bure gegen den Atommüll. Kollektiv BureStop 55

Die von ihnen formulierte fünf Empfehlungen erscheinen dürftig: „Erstellen eines vorsichtigen Zeitplans für die vorbereitende Erschließungen im Vorfeld der Genehmigungen, Berücksichtigung der harmonischen Eingliederung in die Landschaft, schrittweise Ausführung der Rodung vom Wald Bois Lejuc […], um die Biodiversität so weit wie möglich zu erhalten, Erhalten eines Sichtschutzes […], um die Aussicht von den umliegenden Dörfern zu bewahren, und Ergänzung der Kommunikation gegenüber der lokalen Bevölkerung und Anpassung der Kommunikation an die Fortschritte des Cigéo Projektes.

„Die Mehrheit der Öffentlichkeit äußert sich gegen das Projekt“

Dennoch sind die im Laufe der Anhörung gesammelten Meinungen weit weniger zustimmend. Es wurden 4.158 Beiträge gesammelt, darunter drei Petitionen mit 2.129 Einreichern. „Rein rechnerisch, wenn man die Petitionen berücksichtigt, ist die Öffentlichkeit mehrheitlich gegen das Projekt„, geben die Untersuchungsbeauftragten zu. Doch die Einwände der Bevölkerung werden von der Kommission vom Tisch gewischt. „Das Thema Atomkraft wurde als außerhalb des Rahmens der Untersuchung liegend betrachtet, da es bei dem Projekt nur um die Lagerung radioaktiver Abfälle und nicht um die Politik der Atomenergie ging„, schreiben die Ermittler. Auf den 43 Seiten sind nur wenige Absätze den Bedenken und Anmerkungen der Teilnehmer*innen gewidmet.

Die Öffentlichkeit hat zum Teil ihr mangelndes Vertrauen in die Studien, in die Kenntnis des Untergrunds durch die Andra, ihr Misstrauen in die Zuverlässigkeit des Prozesses und in das Verständnis der Risiken und den Umgang mit potenziellen Unfällen zum Ausdruck gebracht“, stellen die Untersuchungsbeauftragten lediglich fest. Einige bezweifeln die Wirksamkeit des passiven Schutzes des Tongesteins und die Erinnerung an die Existenz des Zentrums im Multimillionen-Maßstab des Verlusts der Abfallaktivität. Andere, deren Sorgen näher am Alltag sind, fürchten Störungen durch die Bauarbeiten, den Straßenverkehr, die Umweltverschmutzung und einen Imagenverlust der Region. Auf lokaler Ebene, insbesondere seitens der lokalen Behörden, lassen die geäußerten Meinungen auf ein gewisses Misstrauen gegenüber den expliziten oder impliziten Versprechungen schließen, die in den vergangenen Jahrzehnten gemacht wurden, und damit folglich gegenüber der Andra.

Ebenfalls für nichtig befunden wurde die äußerst kritische Stellungnahme der Umweltbehörde, die im Januar 2021 die Grundlagen des Projekts in Frage stellte. „Die Umweltbehörde hat strenge Empfehlungen ausgesprochen und einen gewissen Vorbehalt hinsichtlich der Umweltbelastungen, die ihrer Ansicht nach nicht ausreichend untersucht wurden, erkennen lassen, vor allem hinsichtlich der allgemeinen Sicherheit, einschließlich der Sicherheit der Bevölkerung, insbesondere bei Unfällen„, heißt es in der Erklärung, die das Gutachten der Umweltbehörde damit klar herunterspielt. Weiter im Text wird die Ansicht vertreten, dass „die aufeinanderfolgenden Genehmigungen, die das Projekt in seiner Entwicklung immer wieder prägen werden, zu einer Verbesserung der Sicherheit führen werden„.

Dessen ungeachtet bemühen sich die Beauftragten, die Gegnerinnen und Gegner des Projekts als Minderheit darzustellen. Die Ablehnung von Cigéo erkläre sich ihrer Meinung nach vor allem durch … die lange Dauer der Umsetzung des Projekts: „Das Projekt […] ist durchzogen von zahlreichen Sitzungen, Mitteilungen, verschiedenen administrativen und zivilen Veranstaltungen, die aber für diejenigen, die es von außen erleben, einen Eindruck von Schlappheit, von unerfüllter Erwartung, dass es endlich losgeht, vermitteln. Und diese Langsamkeit, zusammen mit den wiederkehrenden Demonstrationen der manchmal gewalttätigen Gegner, haben das Projekt und seinen Planer Andra bei der lokalen Bevölkerung und ihren gewählten Vertretern, vor allem in der Nähe des Standorts, unglaubwürdig gemacht„, schreiben sie. „Was als Zögern erscheinen könnte und nur ein gewöhnlicher, vorsorglicher Verwaltungsweg für ein großartiges Projekt ist, erzeugt punktuell ein Gefühl der lokalen Ablehnung, das sich in den Stellungnahmen einiger Körperschaften ausdrückt.“ Das Dokument erwähnt die „von der Andra zitierten Studien“ – deren Referenzen in dem Dokument nicht angegeben werden – die eine „Tendenz der Akzeptanz bzw. Nicht-Ablehnung durch zwei Drittel der Bevölkerung“ aufzeigen würden.

Die Stellungnahme ließ die Gegnerinnen und Gegner nicht unberührt. Die Coordination Cigéo/Bure Stop protestiert gegen dieses „freundliches Durchwinken für die Gemeinnützigkeit der riskantesten, teuersten und umstrittensten Baustelle des Jahrhunderts. “ die Gegner*innenorganisationen warnten in einer Mitteilung, die am späten Montagnachmittag (20. Dezember) veröffentlicht wurde: „Der Bericht und die Schlussfolgerungen der öffentlichen Untersuchungskommission, die soeben veröffentlicht wurden, sind sehr beunruhigend für unsere Demokratie – was ist mit den zahlreichen Vorbehalten und Einwänden, die geäußert wurden? – und für die Zukunft unserer Region„. Weiter in der Mitteilung heißt es noch: „Ist sich der Untersuchungsausschuss der Absurdität seiner Stellungnahme bewusst? Deren Aussage ist nämlich, dass die Stellungnahme positiv ausfällt, obwohl noch zu beweisen ist, dass das Cigéoprojekt sicher genug ist.“ Damit verweisen die Gegner*innen insbesondere auf den Abschnitt, in dem die Untersuchungskommission erklärt, dass sie das Projekt befürwortet, auch wenn es „weiter verbessert werden muss, um kurz-, mittel- und langfristig eine maximale Sicherheit zu gewährleisten„.

Zwischen 1.300 Personen (laut Präfektur) und 3.000 Personen (laut Aktivist*innen) nahmen an der Demonstration im September 2019 in Nancy (Meurthe-et-Moselle) teil, dem Höhepunkt der Bewegung „Vent de Bure“ (Wind aus Bure).“

Seit dem Gesetz von 2006, mit dem das Projekt bestätigt wurde, wiederholt sich die Geschichte: Trotz der Anhörungen, öffentlichen Debatten und öffentlichen Untersuchungen, die sich aneinanderreihen, trotz all der Expertise, die von Vereinen oder unabhängigen Personen eingesetzt wird, scheint nichts den Prozess durchkreuzen zu können. Dies war einer der Gründe, warum wir beschlossen hatten, nicht an der öffentlichen Anhörung teilzunehmen. Mit ihrer uneingeschränkten Stellungnahme hat die Untersuchungskommission nicht einmal versucht, ihr Entgegenkommen gegenüber der Andra und der Regierung mit dem Verdacht zu übertünchen, dass die von der Bevölkerung geäußerten Meinungen nicht berücksichtigt wurden. Die Kommission ist den Tricks der Andra so weit erlegen, dass sie zu deren Sprecherin geworden ist: alles findet sich in ihrer Art wieder, die Redewendungen, die Arroganz, das absolute Vertrauen. Auch wenn die Tragweite dieser Stellungnahme nicht bindend ist, ist sie parteiisch und täuscht die Öffentlichkeit„, so die Mitteilung der Gegner*innenorganisationen.Seit der Ankündigung der Untersuchung hatten die Gegnerinnen und Gegner einen „großen Betrug“ angeprangert und ihre Weigerung, daran teilzunehmen, zum Ausdruck gebracht. Sie hatten insbesondere die Durchführung der von der Andra organisierten Informationsveranstaltung am 17. September verhindert. Die Coordination Cigéo/Bure Stop versprach bereits, die Erklärung über die Gemeinnützigkeit des Projekts juristisch anzufechten: „Wir werden es nicht versäumen, rechtlich dagegen vorzugehen„.Anmerkungen

[1] Die von dem Projekt betroffenen Gemeinden sind Bonnet, Bure, Gondrecourt-le-Château, Horville-en-Ornois, Houdelaincourt, Mandres-en-Barrois, Montiers-sur-Saulx, Ribeaucourt und Saint-Joire im Departement Meuse sowie Saudron, Gillaume und Cirfontaines-en-Ornois im Departement Haute-Marne.

02/01/2022

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