Sommercamp gegen Atomendlager in Lothringen

In Deutschland ging Anfang August die erste Phase der „neuen“ Endlagersuche für hochradioaktiven Atommüll mit dem Ausstieg des BUND aus der Fachkonferenz zuende. Auch in Frankreich wird die Öffentlichkeitsbeteiligung von Antiatomgruppen als Farce eingeordnet. Gegen ein geplantes Endlager wurde vom 16. bis 26. August ein Camp unter dem Namen „Les Rayonnantes“ – die Strahlenden – bei Bure organisiert.

Schon in den neunziger Jahren wurde sich auf den Standort in Lothringen festgelegt. Anstatt eine „offene Suche“ in Granit, Salz und Ton zu betreiben, wie gesetzlich vorgeschrieben, ermöglichten millionenschwere „Begleitzahlungen“ die Etablierung des „Labors“ CIGEO, 150 Kilometer westlich des Rheins. Die Kritik wächst seit der „Forschungsstandort“ zum de facto Endlager entwickelt wird.

Eine geplante Anerkennung, die das Tiefenendlager als „von öffentlichem Interesse“ festlegt, würde Enteignungen ermöglichen. Nachdem ANDRA bereits 3.000ha Land für oberirdische Infrastruktur und den Bau der neuen Castor-Trasse erwarb, sind weitere Landstriche bedroht. Unter anderem das Gelände des alten Bahnhofs von Luméville, auf dem die Bewegung dieser Tage ein großes Protestcamp errichtete.

Schwerpunkt des selbstverwalteten und intersektional gedachten Camps, an dem bis zu 1.000 Linke teilnahmen, war eine Stärkung widerständiger Orte gegen das vermutlich größte Industrieprojekt in Mitteleuropa. In Frankreich geht es bei der Endlagerung immerhin um 80.000 Kubikmeter hochradioaktiven Müll – bis dato. In Workshops, Vorträgen und Aktionen fokussierten die Debatten die im September anvisierte „Öffentlichkeitsbeteiligung“.

Ein Novum für die Umweltbewegung in Frankreich war die Anwendung einer von „Ende Gelände“ inspirierten „Fingerstrategie“, die den Aktionstag vom 21. August prägte. Freilich ohne das Korsett eines sogenannten Aktionskonsens, der in Deutschland gerne bemüht wird um vielfältige Formen des Widerstandes zu reglementieren. Vier unterschiedliche Gruppen von je 200 Aktivist*innen in Maleranzügen zogen zur Logistikplattform der ANDRA in Gondrecourt. Der Zugang zur Innenstadt wurde durch Polizeieinheiten zum Teil mit für Frankreich schnell im Einsatz befindlichen Tränengas verhindert, doch eine Vielfalt an Aktionsformen gelang. Die Spannbreite zog sich über einen kreativem Theaterfinger bis zu aktiver Sabotage hin. So gelang es einem Finger unter den Augen eines Polizeihubschraubers einen Zubringergleis für die künftige Logistikplattform zu verbiegen und Schrauben am Gleis zu entfernen.
Während die Polizei die Finger aus der Stadt fernzuhalten versuchte gelang es einem Finger unbemerkt in das zukünftige Geländer der Logistikplattform einzudringen. Der Standort von ANDRA wurde mit frischem Anstrich und zerschlagenen Fensterscheiben zurück gelassen.

Im Vergleich zur Repression der letzten Jahre war die Staatsgewalt zurückhaltend. Die Gemüter waren noch von Schwerverletzten, der Räumung eines besetzten Waldes, einem Verfahren wegen krimineller Vereinigung und Aufenthaltsverboten geprägt. Zudem waren die Polizeikräfte in Frankreich zeitgleich an den Demonstrationen gegen den Impfpass gebunden. Dennoch gab es den üblichen Tränengaseinsatz und beim stoppen des lila Fingers am Ortseingang wurde der Begleitperson einer Rollstuhlfahrerin gezielt auf den Kopf geschlagen. Trotz der herunterspielenden Kommunikationsstrategie der Präfektur, setzte die Polizei Überwachungsmittel wie IMSI-catcher ein um das Camp zu überwachen. Insgesamt wurde das Camp und die Aktionstage von Seiten der Teilnehmer*innen als Erfolg gewertet.

 

 

 

 

 

 

 

 

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