Veröffentlicht auf lille.indymedia
„Die Kollaborierenden der Nuklearkatastrophen indentifizieren und angreifen“ kann man in einem Bekennungsschreiben lesen, das die Verantwortung für die Brandstiftung am Fahrzeug des Leiters eines lokalen Architekturbüros in Commercy im September 2022 übernimmt. Der Brief führt weiter aus: „Unsere direkte Aktion muss als eine Warnung an lokale und regionale Bauunternehmen, an Sicherheitsfirmen, an Umweltüberwachungsinstitute, etc. gelesen werden: Diejenigen, die denken, mit der nuklearen Verwüstung und Militarisierung von Gelände über CIGEO Profit machen zu können, werden das am Ende teuer bezahlen!“
Mit diesen Worten im Herzen und viel Wut im Bauch haben wir am frühen Morgen des 11. März – zum Anlass des 13. Jahrestags der Atomkatastrophe in Fukushima – einem anderen regionalen Profiteur der Nuklearmafia einen Besuch abgestattet. Dieses Mal wurde kein Klein-/Mittel-unternehmen besucht, sondern die Industriegießerei FERRY CAPITAIN in Vequeville – eine Firma mit mehr als 300 Angestellten und nah bei Joinville. Unser Ziel war es, einen totalen Stromausfall in den vier Industriekomplexen auszulösen und so (zumindest für einen Moment) einen Produktionsstopp zu erzwingen. Dazu haben wir die Hauptstromleitungen identifiziert, die das Gelände aus verschiedenen Richtungen versorgen. Leider konnten wir von den vier identifizierten nur drei mit Brandsätzen kurzschließen. Neben dem unmittelbaren Schaden und dem erwarteten Produktionsausfall hoffen wir, dass der Stromausfall, auch wenn es letztlich nicht zum Totalausfall kommt, weitere Folgeschäden an den Maschinen vor Ort verursachen wird (die teilweise 24 Stunden am Tag laufen müssen). Bei einer der Versorgungsleitungen konnten wir die Möglichkeit nicht komplett ausschließen, Nachwirkungen auf die Stromversorgung von Privathaushalten auszulösen. Wir bitten die Bewohner*innen, eventuelle Unannehmlichkeiten zu entschuldigen.
Warum FERRY CAPITAIN? Die Partnerschaft zwischen FERRY CAPITAIN und der ANDRA (zu deutsch: Nationale Agentur für das Management radioaktiver Abfälle) hat uns dieses Ziel auswählen lassen. Aber schon allein die eigenen Aktivitäten dieses Unternehmens hätten ausgereicht, die gleiche Wahl nochmal zu treffen. 1831 gegründet, hob sich die einfache Gießerei in den 1900er Jahren von der Masse ab, indem sie sich auf das Gießen und Bearbeiten von Industrieteilen spezialisierte. FERRY CAPITAIN hörte nicht auf, seinen Wirkradius und seine Präsenz auf dem Weltmarkt weiter ausbauen, indem er die am wenigsten tugendhaften Sektoren vervielfältigte: Bergbau, Zementwerke, Herstellung von Tunnelbohrmaschinen, Teile für die Luft- und Raumfahrt, Partnerschaft mit dem Europäischen Entwicklungsfond für Gas-, Dampf- und Wasserkraftgeneratoren in den letzten Jahrzehnten.
In seinem 185-jährigem Bestehen hat FERRY CAPITAIN offensichtlich zur ökologischen und sozialen Krise beigetragen, indem seine maßgeschneiderten Maschinen, Bauteile und Werkzeuge es ermöglichen, Rohstoffe aus dem Untergrund zu gewinnen und zu verwerten. Ausgezeichnet vom „France Relance“ (wirtschaftlicher Wiederaufbauplan) der aktuellen Regierung, ist dieses Unternehmen heute „stolz darauf, ein Gewinner des Konjunkturprogramms für die französische Industrie zu sein“. Inmitten der Energiewende öffnen sich ihnen die Pforten zu einem vielversprechenden Markt: Noch mehr Rohstoffgewinnung, und die Wiederbelebung der Atomkraft als Bonus obendrauf! FERRY CAPITAIN stellt die Werkzeuge für die nicht enden wollende Plünderung her – made in France.
Was hat das mit CIGÉO zu tun? Gehen wir ein bisschen in der Zeit zurück: im November 2023 kündigte Patrice Torres, Geschäftsführer der ANDRA in der Region Meuse und Haute-Marne, öffentlich eine neue 20-monatige Phase für die Umsetzung von CIGEO (ein Forschungsprojekt für die Atommüllunterbringung in Bure) ab Anfang 2024 an. Das beinhaltet zum einen die Enteignung von ungefähr 110 Hektar, die für das Projekt noch fehlen, zum anderen Zulassungsverfahren von einer ganzen Reihe von vorbereitenden Arbeiten auf dem Gelände. Dazu gehören archäologische Ausgrabungen, die Installation von zwei neuen Plattformen und rund 600 neue Bohrstellen für geologische und hydrologische Messungen. Der Auftrag für die letztgenannten Arbeiten wurde (ohne Überraschung) dem weltweit tätigen Bergbaukonzern ANTEA übergeben, der auch für den Bau der örtlichen Stollen verantwortlich ist und derzeit wegen eines tödlichen Grubenunglücks, das sich 2016 im ANDRA-Labor ereignete, vor Gericht steht. Landgrabbing und die fortschreitende Zerstörung unserer Umwelt gehen einher mit Maßnahmen, um die wirtschaftliche und finanzielle Abhängigkeit der lokalen Bevölkerung zu zementieren. Oder, wie es Herr Torres formuliert: „die maximale Entwicklung der wirtschaftlichen und kommerziellen Beziehungen zu lokalen Unternehmen und der Einhaltung des öffentlichen Auftrags. Wann immer es möglich ist, wollen wir zusammenarbeiten. Wir versuchen auch, einige Prototypen vor Ort aufzubauen. (…) In diesem Sinne haben wir eine Unternehmensgruppe, darunter FERRY CAPITAIN, mit der Entwicklung eines Prototypen beauftragt, mit dem wir die Andocksysteme zwischen der Zwischenabfalltransporthaube und dem Lagerbereich testen können.“ Nach der Ansiedlung des Weltmarktführers in Seilbahn-Transporttechnik POMA in Froncles, um einen Prototyp der „Castor-Seilbahn“ zu bauen, gibt es hier einen weiteren Prototypen in Vequeville – wir sind entzückt! Die ANDRA macht aus der Lokalbevölkerung Totengräber*innen ihres eigenen Landes und hat dabei noch die Unverschämtheit, das der Öffentlichkeit als Förderung der Beschäftigung und Unterstützung des Wachstums zu verkaufen. Das ist so zynisch, dass einem übel wird.
Wir werden weiter die Verantwortlichen und Ausführenden dieses kostspieligen, gefährlichen und unnötigen Projektes namens CIGÉO angreifen! Neben der Sabotage des Werkes selbst, überlegen wir, ob die Attacken gegen die Unterlieferanten ein angemessenes Mittel sind, um finanziellen Druck durch materielle Schäden auszuüben, und die lokalen Machenschaften von ANDRA in der Region ans Tageslicht zu bringen.
Ohne Cigéo keine Wiederbelebung der Atomkraft, ohne Kooperationspartner*innen kein Cigéo!
Wir widmen diese Aktion denen, die in Bure gegen das Cigéo-Projekt kämpfen, und an die Bevölkerung im Süden der Region Meuse und Haute-Marne, die von den Enteignungen durch ANDRA betroffen sind, sowie den beiden Personen aus Isère, denen im „POMA-Verfahren“ immer noch Sabotage vorgeworfen wird.
von der informellen Gruppe „Action Pirate pour Couler le Ferry“ (deutsch: „Aktion Pirat zur Versenkung der Fähre)
Presseberichterstattung: auf jhm veröffentlicht
Die Kommune Vecqueville, in der Nähe von Joinville, erlitt in der Nacht von Sonntag auf Montag mehrere Stromausfälle. Besonders betroffen waren eine Wohnsiedlung und die Rue Victor-Hugo. Der Bürgermeister des Dorfes, Francisco Albarras, wurde von einem Abgeordneten über den absichtsvollen Ursprung dieser Stromausfälle informiert, die schnell wieder behoben wurden. „EDF (Enedis Haute-Marne; französischer Stromversorger) hat die Strommasten kontrolliert und festgestellt, dass diese an zwei Stellen angezündet wurden, und an zwei weiteren Orten konnte man den Brennstoff noch riechen.“, sagt der Mandatsträger. „Wer auch immer das war, ist jetzt bewusstlos, denn es handelt sich um eine unterirdische Leitung von 10.000 bis 20.000 Volt, die hier verläuft.“, so der Bürgermeister.
„Brandsätze“
Was ist hier passiert? Eine Gruppe namens „Action Pirate pour Couler le Ferry“ bekennt sich auf einer libertären Nachrichtenseite zu dem bewussten Sabotageakt, der auf das Unternehmen Ferry-Capitain abzielte, da dieses mit der Herstellung eines Prototypen für das Cigéo-Projekt der Atommüll-Deponie in Bure-Saudran beauftragt ist. Die Gruppe gibt an, dass ihnen der Kurzschluss von drei Stromleitungen „mithilfe von Brandsätzen“ gelungen sei. „Unser Ziel war es, einen totalen Stromausfall in den vier Industriekomplexen auszulösen und so (zumindest für einen Moment) einen Produktionsstopp zu erzwingen“, sagt die Gruppe in ihrer Mitteilung. Einem Zeugen zufolge gab es am Ende der Nacht Licht auf dem Firmengelände.
Auf derselben libertären Website wurde vor ein paar Jahren das (bestätigte) Bekennnungsschreiben zu einer Sabotage von Stromleitungen in Osne-le-Val veröffentlicht, auch hier im Kontext des Kampfes gegen Cigéo.
L. F.
Aktualisiert um 14:20 Uhr: Enedis reicht Beschwerde ein
Auf Nachfrage bestätigten die Dienste von Enedis, dass ihnen ein Vorfall bekannt sei, von dem 800 Kunden in Vecqueville betroffen seien und der sich am 11. März gegen 4:45 Uhr im Netz mit 20 000 Volt ereignet habe. „Der Vorfall wurde schnell durch unsere Belegschaft behoben, aber für die Versorgung von etwa 80 Kunden haben wir einen Generator auf einem Umspannwerk installiert“, gab der Gesprächspartner von Enedis an. Der Verdacht eines „böswilligen Aktes“ veranlasste den Stromnetzbetreiber, der am Dienstagmorgen ebenfalls einen weiteren Vorfall in Vecqueville meldete, allerdings aufgrund eines umgestürzten Baumes, Anzeige zu erstatten.
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